lila nächte | lavender nights

 

     
TAVERNE. Die Diele der Damen.

Mitternacht schlägt es vom nahen Turm der alten Georgenkirche hinter dem durch die Verbreiterungsbauten bis in die Tiefe aufgewühlten alexanderplatz, der mit seinen halb abgerissenen Häusern, den Bauzäunen und Materialhaufen fast ein gespenstischen Eindruck macht an diesem Regenabend. In der engen abseitigen Georgenstraße, die sonst in Verschlafenheit dahindämmert, schimmert blaß ein Licht. Darauf steuert man zu – und es stimmt. Die Tür ist verschlossen, ein Klopfen, nochmals – eine Hand schiebt ein wenig den Vorhang von der Glasscheibe zurück, man wird gemustert – und vorsichtig öffnet sich die Pforte. Dumpfe Bierluft und Rauchschwaden empfangen den Eintretenden und eine grelle Jazzmusik wimmert beinahe erschütternd. Man ist „geschlossene Gesellschaft“ - wohl der Polizei gegenüber – und läßt nicht jeden so ohne weiteres hinein. Das ist der „Damenklub Skoprion“, der hier an einigen abenden der Woche zusammenkommt. Einmal gab es einen Roman dieses Namens, der die Liebe zweier Mädchen zueinander behandelte, möglicherweise leitet sich die Bezeichnung des Dmaneklubs daher – vielleicht hat aber auch eine sternenkundige Frau ihn mit Bedacht gewählt, um einen Typ zu kennzeichnen. Denn Menschen, die unter diesem Himmelszeichen geboren sind, gelten als unermüdliche Sucher nach sinnlichen Genüssen, und fühlen sich nur glücklich, wenn sie sich in ihrem Liebesdrange voll ausleben können, wie es ihr Natur verlangt. „Des Sonnabends haben wir hier großen Betrieb“ erklärt die hochblonde Bedienerin, „da finden Sie am Besten jeden gewünschten Anschluß!“ Entschieden verlockend! An solchem Tage kostet der Eintritt ganze 30 Pfennig, wofür man die ohrenzerreißende Schlagzeug-Musik und den Tanz hat. Wer nur zechen will, bleibt im vorderen Raum, der „Saal“ ist den Damen und ausschließlich nur diesen vorbehalten, und die „blonde Gerda“ sowie die „Stimmungskanone“ bringen auf ihre Weise die Sache in Schwung. Da sitzen sie nun, zumeist Pärchen oder auch zu mehreren, eng aneinandergedrückt in den kleinen wie Boxen anmutenden „Separés“ - man raucht, raucht unheimlich viele Zigaretten und trinkt Bier, sobald nicht getanzt wird. Man dreht sich unermüdlich zu der von zwei dicken, in Smokings steckenden Frauen fabrizierten Musik und ist manchmal, die Arme fest um den Hals der Partnerin geschlungen, wie verschmolzen im Taumel dieser Umarmung. Trotzdem hat hier der Unbeteiligte sofort die Empfindung, daß dieser Tanz nicht Selbstzweck ist – nur Einleitung zur Anbahnung. Eine fast fühlbare Atmosphäre von Derbheit und Urwüchsigkeit herrscht hier vor – ungeniert wird geküßt in den Boxen – bis irgendeine brutale Eifersuchtsszene das nur künstlich und mühsam auf einem gewissen Niveau gehaltene Bild mit einem Schlag zerstört. Plötzlich, wie von ungefähr bricht ein Zank aus, Stimmen kreischen, Worte fliegen, die nicht sanft sind – und es ist durchaus keine Seltenheit, daß der Streit bis zur Prügelei ausartet. Es sind die weniger gut gepflegten, wohl wirtschaftlich schwächsten jener abseitigen Mädchen, die hier ihre Nächte verbringen – oft schon ältliche, abgelebte, trotz der billigen und stark aufgetragenen Schminke fahlgesichtigen Gestalten, deren Geheimnis es ist, daß die „Liebe“ zur Freundin ausartet – bis zu sadistischen Orgien.

Alles mögliche bietet die „Diele der Damen“, Bockbiertrubel, Strandfeste, Maskenbälle – und alle diese Feste haben das eine Gemeinsame: es geht sehr zwanglos dabei zu – niemand nimmt Anstoß daran, ob sich zwei Frauen nach allen Regeln der Kunst abküssen, ob sie in Hosen herumlaufen oder unverkennbar leidenschaftlich aneinander hingegeben tanzen – man ist ja „geschlossene Gesellschaft“ - und außerdem steht man ohne Zweifel völlig unter dem geheimnisvollen Einfluß des ominösen Himmelszeichen Skoprion. Und manchmal mögen schon die Frühglocken der benachbarten Kirche anheben, ehe die Letzten, wild und heiß vom Tanz und von der Liebe, heruasschlüpfen durch die Pforte wie Fledermäuse, die sich verkriechen wollen vor der aufgehenden Sonne.

 

 

 

What makes them think have the right / To say what God considers vice? / What makes them think have the right/ To keep us out of Paradise?/ They make our lives hell here on earth/ Poisoning us with guilt and shame/ If we resist, prison awaits
So our love dares not speak its name/ The crime is when love must hide/ From now on we'll love with pride!

We're not afraid to be queer and different/ If that means hell, well hell we'll take the chance/ They're all so straight, uptight, upright and rigid/ They march in lock-step, we prefer to dance/ We see a world of romance and of pleasure/ All they can see is sheer banality/ Lavender nights our greatest treasure/ Where we can be just who we want to be.

Round us all up, send us away/ That's what you'd really like to do/ But we're too strong, proud, unafraid/ In fact we almost pity you/ You act from fear, why should that be?/ What is it that you're frightened of?/ The way that we dress? The way that we meet?/ The fact that you cannot destroy our love?/ We're going to win our rights to lavender days and nights!

We're not afraid to be queer and different/ If that means hell, well hell we'll take the chance/ They're all so straight, uptight, upright and rigid/ They march in lock-step, we prefer to dance/ We see a world of romance and of pleasure/ All they can see is sheer banality/ Lavender nights our greatest treasure/ Where we can be just who we want to be./ Lavender nights our greatest treasure/ Where we can be just who we want to be .

 

   
Radyclyffe Hall (The Well of Loneliness)

Hören Sie zu Kind (…) Uns geht’s wie den Diamantsplittern in der Schleiferei. Wir werden, trotzdem wir edel sind, vom Ganzen abgesplittert, just nur, weil man dem Urstein seinen Schliff geben will, just weil er so und so aussehen muß, und so schneiden Begriffe und Gesetze Gleiches von Gleichem. Nur daß die Menschen die Diamantsplitter sammeln und sie in anderer Weise fassen und verwerten, uns hingegen systematisch kaputttreten.“